Plenarrede am 30.03.2023 zu Top 3: "Geschichte für die Zukunft erhalten ? Verantwortung für die Pflege verwaister jüdischer Friedhöfe in Nordrhein-Westfalen weiterhin nachkommen"

 „Geschichte für die Zukunft erhalten – Verantwortung für die Pflege verwaister jüdischer Friedhöfe in Nordrhein-Westfalen weiterhin nachkommen“

Drucksache 18/3662  TOP 3   (Bitte klicken, um den Antrag im PDF-Format zu lesen!)

Sehr geehrter Herr Präsident,liebe Kolleginnen und Kollegen,

in Nordrhein-Westfalen leben heute wieder rund 27.000 Menschen jüdischen Glaubens.

Fast jedes dritte Mitglied einer jüdischen Gemeinde lebt hier - bei uns und mit uns.

Darüber können wir dankbar sein.

Dankbar deshalb, weil wir dieses bereichernde Zusammenleben und die aktive gesellschaftliche Teilhabe in unserem Land den jüdischen Überlebenden verdanken, die sich nach 1945 entschieden haben, trotz der Verbrechen der Nationalsozialisten, in Deutschland zu bleiben.

Es sind Menschen, die  sich hier eine neue Existenz aufbauten, und ihre Familien gründeten.

Das erforderte viel Kraft, Mut und Toleranz. Gleichzeitig war das auch ein Zeichen der Versöhnung und gegen eine kollektive Verurteilung der Deutschen. Nach den Gräueltaten der Nationalsozialisten verdient das unser aller Anerkennung, Respekt und Hochachtung.

Dies auch deshalb, weil der Antisemitismus nach dem Krieg  keineswegs verschwunden war und leider auch heute immer noch gegenwärtig ist.

Alle Demokraten müssen sich dem intellektuell entgegenstellen. Wer schweigt und wegsieht macht sich mitschuldig.

Wir alle wissen um die beschämenden Anschläge auf Menschen jüdischen Glaubens, auf jüdische Einrichtungen und Synagogen.

Herr Präsident,

meine Damen und Herren,

an das Geschehen zu erinnern ist und bleibt für uns alle eine fortwährende Aufgabe und Verpflichtung.

Das ist für uns alle eine bleibende Verantwortung. Das gilt im Besonderen für die demokratischen Parteien.

„Wenn wir die Geschichte, für die Zukunft erhalten wollen, dann müssen wir eine Kultur der Erinnerung pflegen.“

In diesem Kontext zitiere ich sinngemäß unseren ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Er hat uns in seiner berühmten Rede zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai 1945 darauf hingewiesen, dass es in unserer kollektiven Verantwortung steht, uns an Geschehenes zu erinnern.

Das ist auch das Vermächtnis des jüdischen Gelehrten Baal Schel Tov wonach „das Geheimnis der Erlösung die Erinnerung“ ist.

Nicht das Vergessen, sondern die Erinnerung.

In diesem Sinne ist es gut, dass die demokratischen Kräfte in diesem hohen Hause den hier zur Debatte stehenden Antrag gemeinsam eingebracht haben. Denn er atmet den Geist genau dieser Haltung:

Nicht das Vergessen. Das Geheimnis der Erlösung ist Erinnerung.

 

Herr Präsident,

 

meine Damen und Herren,

die unantastbare Würde des Menschen geht über den Zeitpunkt des Todes hinaus.

Grabstätten nehmen in diesem Zusammenhang eine besondere Stellung ein.

Werden Gräber verwüstet sprechen wir zu Recht von Schändung und von der Störung der Totenruhe.

Vor dem Hintergrund meiner Ausführungen wird deutlich:

Erinnerung an Geschehenes, gerade auch an die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte, ermöglicht es uns, kritisch unsere Biographie zu reflektieren. Gerade die Pflege jüdischer Friedhöfe, die gerne als das „Haus der Ewigkeit“ bezeichnet werden, ist dabei ein wichtiger Beitrag.

Der Philosoph Edmund Husserl hat uns deutlich gemacht, dass durch Anschauung Erkenntnis ermöglicht wird. Die jüdischen Friedhöfe sollten uns mit ihrer Mahnung zur Einsicht veranlassen. Das ist und bleibt für uns Verpflichtung.

Wenn wir die Geschichte, für die Zukunft erhalten wollen, dann müssen wir eine Kultur der Erinnerung pflegen.

Auf unsere Zeit übertragen bedeutet dies, aus unserer Geschichte zu lernen. So kann uns Geschichte Orientierung für unser Handeln sein. Jetzt und in der Zukunft.

Das gemeinsame Bekenntnis zur Pflege jüdischer Grabstätten und Friedhöfe atmet diesen Geist.

Ich bedanke mich deshalb bei den Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen sehr herzlich für diese gemeinsame Initiative.

Eine Initiative gegen das Vergessen. Für die Erinnerung. Lassen Sie uns die richtigen Rahmenbedingungen dafür setzen. Bund und Land gemeinsam.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.