Plenarrede am Donnerstag, 15.06.2023 zum Gesetz zur Änderung der nordrhein-westfälischen Landesverfassung betreffend Gleichwertigkeit der beruflichen und der akademischen Bildung

Gesetz zur Änderung der nordrhein-westfälischen Landesverfassung betreffend Gleichwertigkeit der beruflichen und der akademischen Bildung

Drucksache 18/4278

 

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

für unsere heutige Debatte ist es notwendig, sich an die Ursachen gewisser Entwicklungen zu erinnern. Dies gilt gerade angesichts des Antrags der FDP.

Es waren der Pädagoge Georg Picht und der Soziologe Ralf Dahrendorf, FDP-Abgeordneter im Deutschen Bundestag, die eine grundlegende Reform in Forschung und Lehre, sowie im Bildungswesen forderten.

Sie riefen damals den Bildungsnotstand aus, der zu einer Akademisierung führte.

Dies führte zu einer einseitigen Aufwertung des Abiturs gleichsam als „Königsweg der Bildung.“

Jeder Mensch, der nach seinen Fähigkeiten, Veranlagungen, Neigungen und Interessen an der Gesellschaft und am Arbeitsleben teilnimmt, trägt zum wirtschaftlichen und sozialen Erfolg unseres Landes bei.

Dass die Bundesrepublik Deutschland zu den führenden Industrienationen gehört und die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt ist, liegt daran, dass unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in allen Bereichen hervorragend ausgebildet und qualifiziert sind.

Diese Spitzenposition können Deutschland und auch Nordrhein-Westfalen nur halten, wenn wir weiter erheblich in akademische Bildung, berufliche Ausbildung und duale Ausbildung investieren.

Gerade der Austausch der angewandten Wissenschaften der Hochschulen und der Unternehmen wird angesichts des Strukturwandels und der Transformationsprozesse in Wirtschaft, Wissenschaft und Arbeit immer bedeutender.

Wir benötigen in allen Bereichen bestens ausgebildete Menschen.

Von den Hilfstätigkeiten über die Fachkräfte bis zu den Akademikerinnen und Akademikern.

Meine Damen und Herren,

damit jemand seine Talente im Berufsleben zur Entfaltung bringen kann, kommt es nicht in erster Linie auf den Abschluss an.

Es kommt vielmehr darauf an, dass die in der Schule entwickelten und geförderten Interessen und Talente in der beruflichen oder akademischen Bildung aufgegriffen und weiter verfeinert werden.

Neben einer angemessenen Bezahlung ist das auch einer der wichtigsten Faktoren der Arbeitszufriedenheit.

Wir tun deshalb gut daran, insbesondere junge Menschen zu ermutigen und zu befähigen, ihren ganz persönlichen Weg zu gegen. Interessen und Talente in den Beruf und das Arbeitsleben einzubringen.

Deshalb ist es auch so wichtig die Rahmenbedingungen in unserer Gesellschaft so auszugestalten, dass es für das Kind mit Akademikereltern selbstverständlich sein kann, einen handwerklichen Beruf zu erlernen.

Und das umgekehrt für Kinder aus einem bildungsfernen Elternhaus der Weg an die Uni ebenso normal ist.

 

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin Arbeitsminister Karl-Josef Laumann und der Landesregierung deshalb dankbar, dass hier klare Zeichen gesetzt werden.

Berufliche und akademische Bildung sind nicht das gleiche, aber sie sind gleichwertig!

Angesichts des enormen Fachkräftebedarfs und des demografischen Wandels, den wir mit der Verrentung der geburtenstarken Jahrgänge am Arbeitsmarkt nochmals stärker zu spüren bekommen, müssen wir diese Gleichwertigkeit leben und umsetzen.

Die Kooperation von Universitäten, Hochschulen, beruflicher Ausbildung und Weiterbildung ist der Boden, auf dem der Erfolg wachsen und entwickelt werden kann.

Die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung ist ein zentrales Anliegen unserer Zukunftskoalition von CDU und Grünen. Der Akademisierungstrend der letzten Jahrzehnte hat der Vielfalt der Bildungswege in Deutschland nicht immer gutgetan.

Das grundsätzliche Anliegen des vorliegenden Antrags ist unbestritten.

Veränderungen in der Praxis durch eine Anpassung der Landesverfassung zu erreichen sind nach meiner Meinung dazu nicht geeignet.

Partielle Regelungen sind in der Landesverfassung nicht vorgesehen.

Statt einer Verfassungsänderung sollten wir uns darauf konzentrieren, praktische Maßnahmen zu ergreifen, um die berufliche Bildung zu stärken.

Wir laden Sie ein, gemeinsam mit uns auch in Zukunft mit aller Kraft dafür zu arbeiten, um Zugänge zu beruflicher und akademischer Bildung als gleichwertige Voraussetzungen für ein Leben in Freiheit, Selbstbestimmung und beruflichen Erfolg zu ermöglichen.

Das ist im Interesse der Menschen und unseres Landes – eine Änderung der Landesverfassung ist es an dieser Stelle nicht.

Der Überweisung des Gesetzesentwurfs stimmen wir zu.

In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.